Verwirrendes Ratsbegehren

Rechtsgutachten

Die Bürgerinitiative hat sich bei der Vorbereitung des Bürgerbegehrens und dessen Formulierung von einer Rechtsanwaltskanzlei in Augsburg, die bereits Erfahrung mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in anderen Städten und Gemeinden hat, beraten lassen. Die Fachanwälte haben in dem folgenden Rechtsgutachten bestätigt, dass das vom Stadtrat mit 11:10 Stimmen beschlossene Ratsbegehren rechtlich angreifbar ist. Angesichts der zu erwartenden Verfahrensdauer und des Kostenrisikos kann die Bürgerinitiative den Klageweg nicht beschreiten. Der wesentliche Inhalt des Rechtsgutachtens der Augsburger Fachanwälte (Hinzufügungen in eckigen Klammern und Hervorhebungen durch Fettdruck zur besseren Verständlichkeit durch die Bürgerinitiative):

„Bürgerentscheid 1“ [= Ratsbegehren]

  1. Auf einem Stimmzettel darf nur die mit dem Bürgerbegehren unterbreitete oder vom Gemeinderat beschlossene Fragestellung abgedruckt sein. Darüberhinausgehende Angaben sind unzulässig. Insbesondere sind weder Begründungen noch Gegenbegründungen aufzunehmen (siehe XIV 7 und 8 der Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren).
    Zulässig bleiben – neben der Fragestellung – daher lediglich technische Hinweise zur Stimmabgabe (etwa der Zusatz: „Sie haben hier eine Stimme“).
    Also sind Begründungen für die Herbeiführung eines Bürgerentscheids bei der eigentlichen Abstimmung irrelevant und können darüber hinaus sogar vielmehr die Gefahr einer verfassungsrechtlich unzulässigen Abstimmungsbeeinflussung beinhalten.

  2. Der „Bürgerentscheid 1“ [Ratsbegehren] hat als Überschrift folgende Kurzbeschreibung:
    Ratsbegehren „Für ein innovatives Ärztehaus zur Unterstützung und Stärkung unseres Krankenhauses“
    Insoweit ist problematisch, dass bereits durch diese Formulierung der Gleichheitsgrundsatz der Wahlwerber verletzt sein könnte, weil der Zusatz „zur Unterstützung und Stärkung unseres Krankenhauses“ gerade eine – auf einem Stimmzettel grundsätzlich unzulässige – Begründung darstellt, weshalb die Planung eines „innovativen Ärztehauses“ weiterverfolgt werden sollte.
    Es besteht dadurch die Gefahr, dass bei den Abstimmenden der falsche Eindruck erweckt werde, dass es bereits als Tatsache feststehe, dass durch das beabsichtigte Bauvorhaben das Krankenhaus unterstützt und gestärkt werde. Dies wird jedoch, insbesondere zwischen den Beteiligten, kontrovers diskutiert.
    Darüber hinaus wird auch – im Vergleich zur Formulierung des Bürgerbegehrens – (gezielt) der Eindruck erweckt, dass der „Bürgerentscheid 2“ [Bürgerbegehren] primär nicht die Unterstützung und Stärkung des Krankenhauses anstrebe, sondern dies vielmehr verhindern wolle.

    Außerdem erzeugt die konkrete Fragestellung des „Bürgerentscheids 1“ [=Ratsbegehren]
    unzutreffend die Wirkung, dass es sich bei der verfolgten Nutzung des Bauvorhabens – überwiegend und maßgeblich – um ein Ärztehaus handele, das untergeordnet auch Wohnungen „insbesondere“ für Ärzte und Pflegepersonal beinhaltet. Jedoch überwiegt im Gegensatz hierzu der Anteil an Wohnnutzung den Anteil an Facharzt- und Gemeinschaftspraxen bei weitem.
    ……

„Stichfrage“

  1. Bei den beiden Bürgerentscheiden wurde jeweils im Rahmen der „Stichfrage“ eine Kurzbezeichnung angegeben:
    Bürgerentscheid 1: Ratsbegehren („Weiterverfolgung der Planung für ein Ärztehaus“)
    Bürgerentscheid 2: Bürgerbegehren („Keine Weiterverfolgung der Planung für einen Tower“)
    Eine Kurzbezeichnung ist zwar gesetzlich nicht vorgesehen, jedoch in der Praxis durchaus üblich und grundsätzlich auch empfehlenswert.

  2. Fraglich könnte aber sein, ob die Stadt Wertingen auch die konkreten Formulierungen vergeben darf.
    Die Kurzbezeichnung „Keine Weiterverfolgung der Planung für einen Tower“ ist auf den Unterschriftenlisten des Bürgerbegehrens nicht genannt, so dass eine ausdrückliche Legitimation durch die Unterzeichner des Bürgerbegehrens hier fehlt. Erst wenn die vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens der von der Stadt Wertingen vorgeschlagenen Kurzbezeichnung zustimmen würden, wäre der Abdruck auf dem Stimmzettel von der Gestaltungsbefugnis der Stadt umfasst.

    Problematisch dürfte auch die Kurzbezeichnung für das Ratsbegehren sein, da es sachlich unrichtig ist, dass es sich um ein – größtenteils – als Ärztehaus genutztes Bauvorhaben handele. Insoweit wird für den unbefangenen Leser der Inhalt des Ratsbegehrens (bewusst) verfälschend oder unzutreffend wiedergegeben.
    ………….
    Mit freundlichen Grüßen

    gez. Rechtsanwalt

    Ein taktisches politisches Manöver