Ein Hochhaus für Wertingen?

Stellungnahme der „Architekten im Landkreis Dillingen“ (pm Dillingen/Wertingen) 02.11.2020
(in gekürzter Form erschienen im Pressebericht der WZ „Medizinzentrum: Stimmen nach der Debatte“ vom 09.11.2020)

Im Rahmen ihrer regelmäßigen Treffen diskutieren die Architekten im Landkreis die Möglichkeiten einer nachhaltigen baulichen und architektonischen Entwicklung im Landkreis Dillingen.

Zu den aktuell brisanten Themen zählt hier zweifelsohne der Neubau eines Hochhauses auf dem Gelände des Landkreises Dillingen bzw. der Kreisklink Wertingen am Ebersberg in Wertingen, wobei die Diskussion Manchen irritiert oder verwirrt. Stadtplaner Ingo Blatter stellt klar: „Die Stadt Wertingen hat hier die Planungshoheit und muss im Rahmen eines Bebauungsplanes die städtebaulichen Kriterien wie Platzierung, Höhe, Ausdehnung und Nutzung der Gebäude definieren. Bei einer städtebaulichen Neustrukturierung dieser Größenordnung ist der Stadt Wertingen zu empfehlen mit Hilfe eines Ideenwettbewerbes zum bestmöglichen Konzept zu kommen.“ Die Stadtplanung kann nicht in die Hand eines Investors gelegt werden, da die Kommune aufgefordert ist die Interessen aller zu vertreten.

Eine Ideenfindung im Wettbewerb von unabhängigen, im Medizinsektor fachkundigen, überregional tätigen Planern liefert das bestmögliche Ergebnis und löst das Problem über eine einzige Lösung aus der Feder eines privaten Unternehmers diskutieren zu müssen. „Die öffentliche Hand kommt ihrer Pflicht nach, unabhängig zu bleiben und erarbeitet einen Rahmen in dem im zweiten Schritt das Projekt eines privaten Investors umgesetzt werden kann“ so Michael Gumpp, Architekt.

Sollte das Resultat der Stadtplanung tatsächlich der Bau des ersten 11-geschossigen Hochhauses im Landkreis Dillingen sein, raten die Architekten im Landkreis das Bauvorhaben an einen Realisierungswettbewerb und die Begleitung durch den Temporären Gestaltungsbeirat der Bayerischen Architektenkammer zu knüpfen. Wolfram Winter, Architekt: „Ein Turm von über 40m Höhe ist nicht nur stadtbildprägend, sondern würde auf einer Bauhöhe von 445 m ü NN den höchsten Punkt Wertingens am oberen Riedrand (ca. 469 m ü NN) um ca. 20 Meter überragen und die Silhouette Wertingens weithin sichtbar verändern.“ Positiv oder Negativ? Diese Frage sollte von unabhängigen Mitgliedern eines Gestaltungsbeirats beantwortet werden, deren Beratung und Fachwissen aus guten Gründen von vielen Städten und Gemeinden genutzt wird, so die Bayerische Architektenkammer: „Damit eine Stadt als Heimat und als Wirtschaftsstandort attraktiv ist, müssen Neubauten (…) städtebaulich und architektonisch nicht nur jeweils für sich gut gestaltet sein, sondern sich zugleich auch in ihre jeweilige Umgebung einfügen und dazu beitragen, diese aufzuwerten. Von einem für Architektur und Stadtgestaltung offenen Klima profitieren die Kommune, der Kreis, die lokale Wirtschaft, der Tourismus, und nicht zuletzt die Bürger.“

Um das parkartige Gelände am Ebersberg zu erhalten ohne das komplette Gelände zu besetzen, ist eine sensible Positionierung der vielen Bauvorhaben (Ärztehaus, Wohnungen, Geriatrie und Pflegeschule) mit kompakten Baukörpern unerlässlich. Landschaftsarchitekt Andreas Görgens „Der Versiegelungsgrad wird sehr hoch sein und die Freiräume mit dem wertvollen Baumbestand auf ein Minimum reduziert.“

Eine nachhaltige Entwicklung ist im Interesse aller Beteiligter, der Stadt und der Bürger Wertingens als Nachbarn, des Landkreises als Grundstückseigentümer und Träger der Kreisklink und nicht zuletzt des Investors, der mit einem gesellschaftlich akzeptierten Bauvorhaben besser planen kann. Aus diesen Gründen ist es wirklich wichtig, Alternativen zu erarbeiten – erst im Vergleich lässt sich sagen, was für Wertingen und den Landkreis die richtige Lösung ist – dieser Vergleich liegt im Moment aber noch nicht vor.

Michael Gumpp, Architekt, Lutzingen
Ingo Blatter, Architekt, Gundelfingen
Andreas Georgens, Landschaftsarchitekt, Lauingen
Wolfram Winter, Architekt, Höchstädt