Ihr Schreiben vom 28.01.2021
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lehmeier,
ich bedanke mich für Ihr ausführliches Schreiben als Antwort auf meinen Leserbrief in der Wertinger Zeitung. Ich befürworte Ihre vielfältigen Aktivitäten als Bürgermeister, Kreisrat, Mitglied des Aufsichtsrates der Kreiskliniken und nicht zuletzt als 1. Vorsitzender des Fördervereins „Verein der Freunde des Wertinger Krankenhauses e.V.“ zum Erhalt des Kreiskrankenhauses Wertingen und dessen Arbeitsplätze. Auch ich unterstütze alle Aktivitäten, die zu diesen Zielen beitragen. Insoweit verfolgen wir die gleichen Ziele. Nur unsere Wege zu diesen Zielen sind teilweise unterschiedlich. Ich unterstütze die vorgesehenen Maßnahmen, dass auf dem Grundstück des Krankenhauses eine neue Krankenpflegeschule, ein neues Pflegeheim und ein Gesundheitszentrum mit Parkhaus und Wohnungen errichtet werden sollen. Nach meinem Verständnis unterstützt auch das Bürgerbegehren diese Ziele.
Pflegeheim und Gesundheits- bzw. Ärztezentrum sollen von privaten Investoren errichtet und betrieben werden. Hierzu sollen auch Grundstücksflächen des Kreiskrankenhauses von etwa 6.500 qm verkauft werden. Für die Errichtung des Gesundheitszentrums und der Wohnungen ist nach ersten Planungen des Investors der Bau eines 11-stöckigen Turms vorgesehen.
Nach Ihren Ausführungen können Pflegeheim und Ärztezentrum nur realisiert werden, wenn die Grundstücksflächen verkauft werden und private Investoren den Bau realisieren. Weder Stadt noch Landkreis seien finanziell in der Lage, die beiden Projekte in Eigenregie auszuführen.
Aus meiner früheren Tätigkeit als Prüfer im Baubereich des Bundesrechnungshofes ist mir bekannt, dass die öffentliche Hand mittlerweile über vielfältige, erprobte und wirtschaftliche Möglichkeiten von „Öffentlich Privaten Partnerschaften“ (ÖPP-Projekte) bis hin zu Festlegungen im Erbbaurecht etc. verfügt, um derartige Projekte ohne sofortige finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand zu realisieren und ohne die Grundstücke zu verkaufen. Bei einer derartigen Vorgehensweise hat die öffentliche Hand hinsichtlich Zeitrahmen, Gestaltung und Nutzung der Bauprojekte einen großen Gestaltungsspielraum. Hierzu ist jedoch ein öffentlicher Wettbewerb erforderlich, der zugegebenermaßen den Zeitablauf der Projekte verlängert. Die gesetzlich vorgeschriebenen haushaltsrechtlichen Vorgaben werden dabei jedoch eingehalten. Der von Ihnen und dem Stadtrat verfolgte Weg ist also nicht, wie von Ihnen erklärt, alternativlos.
Weiter erklären Sie, dass das Ratsbegehren notwendig war, weil die Initiatoren des Bürgerbegehrens mit ihrer Fragestellung dem Ärztehaus überhaupt keine Möglichkeit zur Realisierung einräumen. Hierzu erwidere ich Ihnen, dass sich das Bürgerbegehren nur gegen den Bau eines 11-stöckigen Turms und den Grundstücksverkauf wendet. Alternative Möglichkeiten zur Realisierung des Ärztehauses habe ich Ihnen vorangehend aufgezeigt.
Ich halte es für unredlich, dass im Ratsbegehren mit keinem Wort auf den 11-stöckigen Turmbau und den Grundstücksverkauf eingegangen wird. Damit wird keine öffentliche Transparenz hergestellt. Ich bleibe bei meiner Auffassung, dass mit dem Ratsbegehren beim interessierten Bürger Verwirrung gestiftet wird und im Ratsbegehren unvollständige Sachverhalte aufgeführt werden. Dem Bürger wird nicht eindeutig klar, dass er mit seiner Stimme für das Ratsbegehren zugleich für einen ll-stöckigen Turm und für den Grundstücksverkauf stimmt. Zudem widerspricht nach meiner Ansicht ein 11-stöckiger Turm den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Aspekten der Stadt und ist deshalb abzulehnen. Dass dies nicht nur meine persönliche Ansicht ist, zeigt auch die Stellungnahme der Architektenkammer zu diesem Vorhaben, die für die Entwicklung des Krankenhausareals ebenfalls einen städtebaulichen Wettbewerb vorgeschlagen hat. Hier ließe sich mit Sicherheit eine städtebaulich deutlich höherwertigere, werthaltigere, ansprechendere und mit der Umgebung verträglichere Lösung finden. Dies wird aber offensichtlich aus mir unerklärlichen Gründen nicht gewünscht.
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass mit einem Grundstücksverkauf an private Investoren für das Wertinger Krankenhaus in der Zukunft keine weiteren baulichen Erweiterungsmöglichkeiten durch die öffentliche Hand mehr bestehen. Eine Aufstockung der bestehenden Gebäude dürfte auf Grund statischer Vorgaben wirtschaftlich fast unmöglich sein. Ob dies für den weiteren Fortbestand der Klinik vorteilhaft ist, bezweifele ich. Somit widerspricht aus meiner Sicht ein Grundstücksverkauf auch den von Ihnen verfolgten langfristigen Zielen für das Krankenhaus Wertingen.
Sie verweisen darauf, dass auch Wohnungen errichtet werden, die von Ärzten, Schwestern, Pflegern und Schülern genutzt werden sollen. Hierbei sehe ich die Gefahr, dass der von Ihnen aufgeführte Personenkreis nur in wenigen Ausnahmen in der Lage sein dürfte, die üblichen Miet- oder Verkaufspreise zahlen zu können. Inwieweit die Stadt Wertingen auf diese Preise Einflussnehmen will, wird von Ihnen nicht dargelegt, dabei wäre es für die Stadt durchaus möglich festzusetzen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Wohnungen den Grundsätzen des sozialen Wohnungsbaus entsprechen muss. Es bestünde zum Beispiel im Durchführungsvertrag, den die Stadt ja mit dem Investor zu schließen hat, die Möglichkeit hierzu Regelungen zu treffen. Auch wurde bisher nicht kommuniziert, welchen Einfluss die Stadt auf Folgenutzungen nehmen will bzw. sich vertraglich zusätzliche Möglichkeiten zusichern lässt, falls sich nach Errichtung des Turms herausstellen sollte, dass das Ärztezentrum zu groß geplant wurde. Auch der Landkreis sollte sich hierzu einen deutlichen Aufschlag beim Verkaufspreis zusichern lassen, wenn der Turm verstärkt einer Wohnnutzung zugeführt wird.
Sie erläutern, dass die vielfältigen Synergieeffekte durch das Ärztezentrum den Krankenhausstandort stärken würden. Für mich erschließt es sich nicht, welche Vorteile mit diesem ,,plakativen Allgemeinbegriff“ gemeint sind. Die aktuellen Schwierigkeiten für den Weiterbestand des Krankenhauses Wertingen ergeben sich nach meinem Kenntnisstand insbesondere daraus, dass in der Vergangenheit ein jährliches finanzielles Defizit im Millionenhöhe erwirtschaftet wurde. Inwieweit ein Ärztezentrum dieses finanzielle Defizit reduzieren kann, konnte mir bisher noch niemand erklären. Alle Parteien betonen hier immer wieder diese rätselhaften Synergieeffekte. Hier wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir und der Öffentlichkeit darlegen könnten, in welcher Art das geplante Ärztezentrum tatsächlich die prekäre finanzielle Situation des Wertinger Krankenhauses verbessern kann.
Um die Zukunftsfähigkeit des Krankenhauses zu gewährleisten, müsste nach meiner Auffassung das Gesundheitswesen und insbesondere die Krankenhausfinanzierung auf politischer Ebene reformiert werden. Zumindest auf Länderebene ist Ihre Partei derzeit mit in der Regierungsverantwortung, so dass hier notwendige Änderungen auf den Weg gebracht werden könnten. Das geplante Ärztezentrum ändert aus meiner Sicht an der finanziellen Situation des Krankenhauses Wertingen nichts.
Aus der Wertinger Zeitung war zu erfahren, dass der Aufsichtsrat der Kreiskliniken im Dezember 2020 beschlossen hat, im Wertinger Krankenhaus eine Akutgeriatrie in der Inneren Abteilung aufzubauen. In Dillingen soll die Kardiologie neu ausgebaut und in Wertingen die bestehende Kardiologie geschlossen werden. Der Betriebsrat befürchtet, dass das Krankenhaus Wertingen auf lange Sicht aus der Akutversorgung der Patienten herausgenommen wird. Aus meinen persönlichen Erfahrungen kann ich diese Befürchtungen nur bestätigen. In meinem früheren Wohnort in Lindlar (Oberbergischer Kreis, NRW) bestanden in den neunziger Jahren in einem Umkreis von ca. 25 km drei Krankenhäuser. Alle drei wiesen finanzielle Defizite aus. Um den Standort Lindlar zu stärken, wurde ein Ärztezentrum gebaut. Die finanzielle Situation des Krankenhauses verschlechterte sich dennoch. Um dem entgegenzuwirken wurde eine Geriatrie eingerichtet. Im Laufe der Jahre wurden die medizinischen Abteilungen verkleinert oder verlegt und am Ende blieb lediglich die Geriatrie übrig. Mittlerweile ist auch diese geschlossen worden. Das Gebäude wurde zu Eigentumswohnungen umgebaut. Dieser Vorgang dauerte etwa 12 – 15 Jahre. Nur noch eine der bestehenden Kliniken ist in öffentlicher Hand. Die zweite wird von einer privaten Klinikorganisation betrieben.
Für mich ist nicht erklärlich, aus welchem Grund die bestehende Kardiologie in Wertingen geschlossen und in Dillingen neu ausgebaut werden soll. Ich habe die Befürchtung, dass mit den Beschlüssen des Aufsichtsrates der schleichende Abbau des Krankenhauses Wertingen begonnen hat. Zu diesen Beschlüssen des Aufsichtsrates und zu den Befürchtungen des Betriebsrates habe ich von Ihrer Seite bisher leider noch keine Stellungnahme vernommen. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Beschluss des Aufsichtsrates auch von Ihrer Seite unterstützt wurde. Zur Stärkung des Standortes Wertingen dienen diese Beschlüsse in meinen Augen nicht. Zudem widersprechen sie auch Ihren eigenen Zielen hinsichtlich des Bestandes des Krankenhauses Wertingen. Ich hoffe, dass sich die Besorgnisse des Betriebsrates als unbegründet erweisen. Weiter wünsche ich mir, dass ein ähnlicher Abbau des Krankenhauses Wertingen wie in meinem früheren Wohnort nicht erfolgt.
Zur Verkehrssituation am Ebersberg führen sie aus, dass die Stadt Wertingen im Januar 2021 die Planung einer nördlichen Entlastungsstraße beauftragt hat. Aus meiner beruflichen Erfahrung ist bei großen Straßenbauprojekten mit einer Planungszeit von etwa 10 – 15 Jahren zu rechnen (bei der B 16 Ortsumgehung Höchstädt sind es deutlich mehr). Auch bei diesem kleineren Projekt dürfte die nördliche Entlastungsstraße erst nach dem Bau des Ärztezentrums realisiert werden. Dies bedeutet, dass der gesamte Baustellenverkehr mit Schwerlastverkehr für den Abbruch und für die Anlieferung der Baumaterialien über das bestehende Verkehrsnetz erfolgen wird. Dies hat hohe Lärm- und Abgasbelastungen für die anliegende Bevölkerung zur Folge. Wie diesen Belastungen entgegengewirkt werden soll, ist bislang nicht geklärt.
Auf die Stadt Wertingen werden damit zeitnah erhebliche finanzielle Belastungen durch die Reparatur des bestehenden Straßennetzes zukommen. Dieses weist bereits heute Risse und Aufbrüche im Straßenbelag auf. Der Straßenaufbau dürfte nach meinen beruflichen Erfahrungen nicht geeignet sein, den künftigen Baustellenverkehr ohne Beschädigungen zu bewältigen. Somit ist nach dem Bau des Ärztezentrums ein grundhafter Ausbau mit Erneuerung des Straßenoberbaues und eventuell der Versorgungsleitungen auf Kosten der Stadt Wertingen unausweichlich. Zu diesen hohen Folgekosten habe ich von Ihrer Seite bisher ebenfalls noch keine Erklärung gehört.
Auch meine Entgegnung ist nun länger geworden. Ich habe Ihnen meine persönlichen und fachlichen Bedenken ausführlich dargelegt. Auch mögliche Lösungsansätze habe ich Ihnen aufgezeigt. Daher hoffe ich, dass gemeinsame Lösungen einvernehmlich erarbeitet und vereinbart werden können, die für den Weiterbestand des Krankenhauses und für die Belastungen und Befürchtungen der betroffenen Bürger verträglich und vorteilhaft sind.
Mit freundlichen Grüßen
Hartmut Burczyk